Erbschaftsteuer für Familienunternehmen

Das Bundesverfassungsgericht hat am 17. Dezember 2014 die seit 2009 geltenden Verschonungsregeln für Betriebsvermögen als verfassungswidrig erklärt, weil sie in ihrer Ausgestaltung nicht mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar sind. Familienunternehmen teilweise oder sogar vollständig von der Erbschaftsteuer zu befreien, um ihre Existenz und Arbeitsplätze nicht zu gefährden, hält das Gericht jedoch für grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das Bundeskabinett hat am 8. Juli 2015 einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils verabschiedet und an Bundestag und Bundesrat weitergeleitet. Die vorliegende Broschüre der Stiftung Familienunternehmen analysiert die Daten- und Rechtslage sowie den Stand des Gesetzgebungsverfahrens und gibt einen Überblick über die wichtigsten Positionen in der öffentlichen Debatte.

Die Stiftung Familienunternehmen kommt in ihrer Studie zu folgendem Fazit:

„Die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aufgestellten Anforderungen an ein verfassungs-konformes Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht werden durch den Regierungsentwurf nicht erfüllt. Im Gegenteil – die Analyse des Regierungsentwurfs belegt, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts überinterpretiert werden und mehrere Aspekte verfassungsrechtlich fragwürdig sind.

Es soll ein Regime eingeführt werden, dass für zahlreiche – auch mittelständische – Familienunternehmen zu einer weiteren erheblichen Mehrbelastung führt. Seit 2009 besteht bereits die verkehrswertorientierte Bewertung, die häufig zu Überbewertungen führt und für die die derzeit geltenden Verschonungsregelungen einen wirksamen Ausgleich darstellen, Mit den zusätzlichen Belastungen aus dem Gesetzentwurf würde sich jedoch die effektive Steuerbelastungsquote eines typischen Familienunternehmens nach Berechnungen des ZEW Mannheim von heute 7,5 Prozent auf rund 33,6 Prozent bei der Verschonungsbedarfsprüfung erhöhen. Beim reduzierten Verschonungsabschlag würde die Belastung um rund 23,2 Prozent steigen.

Die Mehrbelastungen resultieren zum einen aus der definitiven Besteuerung des nicht begünstigten Vermögens. Beim reduzierten Abschmelzmodell belastet vor allem die steile Degression des Abschmelzbetrages sowie die geringe Mindestverschonung von 20 Prozent im Falle der Regelverschonung und von 35 Prozent im Falle der Optionsverschonung. Im Fall der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Nachfolger zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld mit dem Erbfall bzw. der Schenkung übergehendes und bereits in der Vergangenheit erworbenes Privatvermögen einsetzen. Die Annahme einer weitgehend aufkommensneutralen Reform mit steuerlichen Mehreinnahmen von nur 200 Mio. Euro ist nach alledem nicht nachvollziehbar.

Unter diesen Voraussetzungen werden Unternehmer und Nachfolger im Schenkungsfall abwägen, ob eine Veräußerung vorzuziehen ist. Wer vorschnell urteilt, der Nachfolger erwerbe durch die Übertragung des Betriebs Reichtum, der verkennt die Sachlage: Die Verantwortung für das Unternehmen und die Belegschaft sowie das mit einer Unternehmensübernahme verbundene Risiko aufgrund sich ständig ändernder Märkte stellen den Nachfolger ohnehin vor große Herausforderungen. Darüber hinaus lastet im Falle der Umsetzung des Regierungsentwurfs erheblicher finanzieller Druck auf den Schultern des Nachfolgers.

Das betriebliche Vermögen ist zudem nicht frei verfügbar. Schließlich soll es Investitionen dienen und Krisenzeiten vorbeugen. Für gewöhnlich ist aufgrund von Entnahme- und Verfügungsbeschränkungen ein Zugriff auf das betriebliche Vermögen verwehrt. Auch wenn der Regierungsentwurf den Versuch unternimmt, den gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen durch eine Erhöhung der Freigrenze Rechnung zu tragen, bleibt es bei einem Versuch, denn die an eine Anhebung geknüpften Voraussetzungen sind in der Praxis nicht erfüllbar. Durch eine Veräußerung würde das Übernahmerisiko deutscher Familienunternehmen an renditeorientierte Investoren deutlich zunehmen. In jedem Falle hätten Veräußerung und Unternehmensfortführung aufgrund der wirtschaftlichen, bürokratischen und persönlichen Belastungen für den Nachfolger, das Familienunternehmen, seine Beschäftigten und die Region gravierende Folgen. Erwiesenermaßen stehen Familienunternehmen für Nachhaltigkeit und Sicherheit, Beschäftigung und Wohlstand. Diese Werte dürfen nicht vergessen oder gar ignoriert werden. Gerade die Gruppe der großen Unternehmen sorgt für eine hohe Beschäftigung in Deutschland. Von der Erbschaftsteuerreform wären 10.571 Familienunternehmen betroffen. Diese stehen für 34 Prozent der Beschäftigten in Deutschland.

Der die Verschonung rechtfertigende Grund – der Erhalt von Arbeitsplätzen – gilt also in besonderem Maße für große Familienunternehmen und sollte deshalb stärker im Rahmen des Verschonungskonzepts berücksichtigt und in der Gesetzesbegründung hervorgehoben werden. Der für die deutsche Wirtschaft stabilisierende „Faktor Familienunternehmen“ darf nicht zur Disposition gestellt werden. Eine unbedachte Forderung nach Besteuerung kann deshalb weitreichende Konsequenzen haben.“

Die vollständige Studie finden Sie hier >